Was ist Steilwandskifahren? Ski extrem?

Steilwandskifahren ist Skifahren an der Haftungsgrenze der Skikanten auf dem Untergrund Schnee in steilem Gelände abseits von Skipisten. Das klingt jetzt etwas sperrig. Der Realität entspricht es auch nicht. Der Untergrund Schnee ist variabel – sehr variabel sogar. Von lockerem Pulverschnee bis hin zu bombenfestem Eis ist alles möglich. Pulverschnee bringt Abfahrtsspaß und hält tödliche Lawinen bereit – Eis ist lawinensicher und zuverlässig solange man fest steht, andernfalls erlebt man eine rasante Rutschpartie.

Gemixt mit steilen Hängen oder Rinnen ergibt sich so ein recht spannender Mix. Doch was ist überhaupt steil? Die Harakiri Skipiste in Mayrhofen in Tirol ist offiziell die steilste Skipiste der Welt. Sie ist in der Kategorisierung (blau = leicht, rot = mittel, schwarz = schwer) tiefschwarz und wird von Marketeers gerne mit Totenköpfen bedacht. Stolze 36 Grad Gefälle sollen es sein, die da von vielen Skitouristen meist rasant als Brummkreisel mehr auf dem Hosenboden als stehend elegant kontrolliert auf Skiern ins Tal absolviert werden. Schon bei diesem Gefälle merken Strauchelnde, dass es kaum ein Halten gibt, wenn die Schwerkraft in die Tiefe zieht. Alles, vom Handschuh bis zum Ski, findet oft erst unten wieder mit dem Gestürzten zusammen.

Update 26.01.2016: Danke an Lorenzo Rieg,und Lea Hartl, die mich darauf aufmerksam gemacht hat, dass es inzwischen etwas Steileres gibt. Nämlich die Manni Pranger Piste in Steinach am Brenner (bei der Bergeralm), die wohl bis zu 45° Grad hat. Naja, ich fand das Video jetzt nicht so überzeugend, aber mir entgeht vmtl. wieder die Dramatik der lebensbedrohenden Situation.

Doch das ist für Steilwandskifahrer wenig mehr als eine sanft geneigte Wedelpiste. Im allgemeinen Konsens sind es 45 Grad – die Hälfte von 90° – die die Grenze zwischen normalem Skifahren und Steilwandskifahren darstellen. Dabei können 45° in weichem Pulverschnee leicht zu fahren sein, oder ein Horrorfilm auf Eis.

Die Steilheit alleine ist nicht entscheidend. Erst, wenn über eine längere Strecke ein Gefälle von 45° anliegt spricht man von einer Steilabfahrt. Viele Hänge haben kurze steile Stellen – im Extrem wechselt beispielsweise eine Buckelpiste zwischen 0° und 90° ab, aber niemand kommt auf die Idee zu behaupten er wäre hier eine 90° steile Buckelpiste gefahren. Um als Steilabfahrt gewertet zu werden sollte so eine Abfahrt schon einige hundert Meter lang sein.

Als Extrawürze wird der Cocktail aus Steilheit und Länge noch mit gefährlichen Fels- oder Eisabbrüchen, hohen Felswänden oder verblocktem Gelände garniert. Der unvermittelt Stürzende sieht sich dann mit recht großer Gewissheit entweder eine Fels- oder Eiswand hinab stürzen, seinen Sturz an einem Fels abrupt stoppen, wird direkt von einer Lawin einer der vorab genannten Gefahren zugeführt oder von herabfallenden Eis- oder Felsmassen erschlagen.

Das authentische Steilwandskifahren beginnt also in Hängen oder Rinnen, die über mehrere hundert Meter lang über 45° steil sind, bei denen ein Sturz mit großer Wahrscheinlichkeit tödlich endet und zudem ständig alpine Gefahren lauern.

Potentiell wirkt Steilwandskifahren daher auf den ersten Blick nicht, wie Sport meist doch wahrgenommen wird, lebensverlängernd. Aus diesem Grund sind die aktiven Steilwandskifahrer, oder auch Snowboarder, Spezialisten. Um mit den genannten Gefahren umgehen zu können sind spezielle Kenntnisse, Techniken und viel Erfahrung notwendig. Bei einem Blick in die Statistiken zeigt sich dann auch, dass nur ein sehr kleiner Teil der Ausführenden beim Skifahren in steilem Gelände ums Leben gekommen ist. Offenbar wissen die meisten sehr gut, auf was sie sich einlassen.

 

Extremski?

Bis vor einiger Zeit wurde diese Art des Skifahrens noch gerne als Extremski bezeichnet. Die Namensgebung ist irreführend – denn extrem ist individuell unterschiedlich. Was in den Anfängen des Skifahrens extrem, also am äußersten machbaren Limit, war, ist heute normales Skigelände für versierte Tourengänger. Die Grenzen haben sich im Laufe der Zeit verschoben. Dank der zahlreichen Protagonisten, die immer wieder neu definiert haben was möglich ist.

Auch individuell ist „extrem“ sehr unterschiedlich. Kein Steilwandskifahrer mit Rang und Namen, außer denen natürlich, die am Marketingtropf hängen, sagt von sich, er sei Extremskifahrer. Denn irgendwo gibt es sicher jemanden der noch besser, noch steiler, noch ausgesetzter, noch gefährlicher auf Ski unterwegs ist. Der Begriff stammt noch aus Zeiten, als man dachte, dass die Limits erreicht sind. Und doch hat stets jemand gezeigt, dass es noch extremer geht – hat damit die vorhergehenden Leistungen dieser Bezeichnung beraubt. Auch heute sind immer noch minimale Steigerungen möglich. Die Nuancen entscheiden hierbei und sind auch nur noch den Kennern vertraut. Als Laie sieht man den Unterschied nicht oder nur mit technischen Hilfsmitteln, so wie es in jeder Sportart der Fall ist, wenn sich die Besten messen.

Der Begriff Extremski ist daher nicht gerechtfertigt – erst wenn objektiv ein Limit erreicht wird, kann von einem Extrem gesprochen werden. Vieles „Extreme“ ist bei genauerer Betrachtung keine Höchstleistung – auch nicht, wenn man dieses Etikett aufklebt.

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