Heini Holzer

Leichtsinn ist, wenn man die Schwierigkeit mit der Gefahr verwechselt … (Heini Holzer)

Einen der Pioniere des Steilwandskifahrens konnte ich leider nicht mehr interviewen – er verstarb bereits 1977. Glücklicherweise konnte ich mit seiner damaligen Seilpartnerin Sieglinde Walzl sprechen und es gibt ein Buch von Markus Larcher, das sein Leben nachzeichnet. Mit Bildern bin ich hier sehr sparsam, diese stammen aus den Archiven von Sieglinde Walzl und von seinem Sohn Markus.

Holzer und Hiebeler
Holzer und Hiebeler

Heinrich (Heini) Holzer

Nur 148cm klein ging Heini Holzer als einer der ganz großen Pioniere des Steilwandskifahrens in die Alpingeschichte ein. Zudem begründete der Mann aus Südtirol einen sehr reinen Stil bei seine Abfahrten. Beeindruckende 103 Erstbefahrungen gehen auf sein Konto, darunter leichte wie auch äußerst extreme Abfahrten. Bevor die Karriere zum weltweit anerkannten Steilwandfahrer begann und Heinis Träume nach Aufmerksamkeit und Beachtung in Erfüllung gingen, hatte er einige Hürden zu meistern.

Während der letzten Kriegstage am 17. April 1945 dröhnten die Motoren eines britischen Geschwaders über den Ort Taufers im Münstertal hinweg, als der Südtiroler geboren wurde. Seinen leiblichen Vater lernte er nie kennen, dieser war an der Ostfront gefallen. Seine Mutter arbeitete als Magd auf einem Bauernhof und da sie ihm nicht genug Milch geben konnte, nährte ihn die Bäuerin des Hofes gemeinsam mit ihren eigenen Kindern. Als Magd konnte seine Mutter keine großen finanziellen Sprünge machen und die Armut zeichnete Heini eine lange Zeit seines Lebens. In seiner Kindheit lebte er mit seiner Mutter und seinen Geschwistern in winzigen Hütten ein Stück entfernt von den Dörfern, da sie sich nichts anderes leisten konnten. Sie zogen oft um.

Heini hütete bereits als Fünfjähriger alleine auf einer Alm Schafe, um der Familie beim Überleben zu helfen. Während dieser Zeit erlebte er eine intensive Nähe zu seiner Umgebung in den Bergen und entdeckte eine Liebe zur Natur, die ihn Zeit seines Lebens nicht mehr loslassen sollte. Ein Bekannter, der sich mit der Flora und Fauna im Gebirge auskannte, zeigte dem Jungen Heini die vielen versteckten Winkel des Lebens in den Bergen und erklärte ihm Namen sowie Bedeutungen.

Auch die Jugendjahre verliefen in ähnlicher Armut, stets kämpften er und seine Familie um ihre Existenz und gemeinsam mit seiner Mutter sowie seiner Schwester musste er gelegentlich als Musiker in Hotels für Touristen auftreten um ein paar Groschen hinzu zu verdienen. Später waren seine Unterhaltungskünste auf Berghütten sehr gefragt, oft spielte er auf seiner Gitarre oder unterhielt gewitzt mit seinen Geschichten. Er selbst empfand sich allerdings eher als Einzelgänger und nicht als jovialer Entertainer. Rückblickend beschreiben ihn seine engen Wegbegleiter als einen eher melancholischen Typ, der häufig in sich gekehrt war. Trotz dessen nahm er durch seine herzliche Freundlichkeit und sein offenes Lachen jeden für sich ein, dem er begegnete. Gute Stimmung und Optimismus waren Programm.

Freundschaften und die Nähe zu einem festen Wohnort baute der junge Holzer nicht auf. Lediglich den Hohen Ifinger betrachtete er als „seinen“ Hausberg und an diesem Berg setzte Holzer während seiner Karriere als Steilwandskifahrer einen Markstein.

Aufgrund seiner geringen Körpergröße wurde er als Kind oft gehänselt, was natürlich seinem Selbstbewusstsein als jungem Burschen nicht zuträglich war. Nur mit seinen Geschwistern, einer Schwester und einem Bruder, hielt er fest zusammen. Erst später, er stand schon im Berufsleben, fand er unter seinen Kletterkumpanen auch die lang ersehnten Freundschaften und durch seine Erfolge in den Bergen die erhoffte Anerkennung.

Die Leidenschaft für Gipfeltouren entdeckte Heini als junger Teenager. Mit dem lokalen Alpenverein machte er sich auf den Weg. Anfangs ging er noch mit den Vereinskameraden, schon bald aber setzte er sich ab und war als Alleingänger unterwegs. Die Gruppe, mit der er in einem Bus angereist war, musste vor der Heimfahrt auf ihn warten. Seine immer schwieriger werdenden Anstiegen dauerten halt etwas länger.

Aufgrund der schwierigen finanziellen Situation musste Heini die Schule früh beenden und eine Lehre als Schornsteinfeger beginnen. Ein Beruf der ihm gefiel, er betrachtete das Fegen zum einen als Herausforderung und zudem setzte er sich über die Dächer hin von allen anderen ab. Der Beruf brachte ihm bei seinen Kletterfreunden den Spitznamen „Feger“ ein. Das Lehrgeld blieb zu Hause bei seinem Ziehvater. Dieser hatte es trotz mehrfachem Umzug nicht geschafft, eine gut bezahlte Stelle zu bekommen und verdingte sich meist als einfacher Hilfsarbeiter.

Der junge Holzer begann immer öfter in seine geliebten Berge zu fliehen. Die Touren wurden schwerer und von dem Trinkgeld, das er als Lehrbub gelegentlich bekam, kaufte er sich Bergausrüstung. Seine Mutter und sein Ziehvater ahnten nichts von den stetig schwerer gewählten Vorhaben im Gebirge, nur seine Geschwister wussten welch gefährliche Unternehmungen er schon gemeistert hatte. Heini verabschiedete sich zu einer „Wandertour“ und nahm dann insgeheim die Kletterausrüstung von seinen Geschwistern durch das rückwärtige Fenster in Empfang.

Der kleine Südtiroler entwickelte großen Ehrgeiz und wurde bald so gut, dass er mit der lokalen Kletterelite mithalten konnte. Eine Erstbegehung nach der anderen folgte, Winterbegehungen, Eisflanken sowie anspruchsvolle Touren durch Eis und Fels gleichermaßen, die spektakuläre Befreiung seiner Kameraden aus einer Lawine in der „Schück Rinne“ am Ortler (den sie zuvor über die Nordwand bestiegen hatten) und eine äußerst hohe Frequenz an hochkarätigen Bergfahrten machten ihn zu einem Allround-Alpinisten.

Es dauerte nicht lange und Heini Holzer zählte zu den besten Kletterern seiner Zeit. Zu seinen Seilpartnern zählten die Messner Brüder, Toni Hiebeler, Claudio Barbier, Renato Reali und viele weitere der damals bekannten Bergsteiger. Insbesondere Hermine Lottersberger wurde zu einer Vertrauten Holzers. Bei ihr konnte er endlich über seine Gefühle sprechen. Sie wurde ihm zu einer mütterlichen Freundin, mit der er zudem extreme Felstouren durchführte. Gemeinsam mit seinen Kletterpartnern machten er die Wände Südtirols unsicher und eröffneten zahllose Neutouren, darunter heute bedeutende Klassiker, beispielsweise den „Weg der Freunde“ an der Civetta. Den „Schmuck Kamin“ an der Fleischbank-Ostwand bewältigt er im Alleingang – ein Sieg gegen sich selbst: Er musste den Kamin, teils mit den Händen an der einen und den Füßen an der anderen Felswand seinen Körper beinahe in die Waagerechte gespreizt, hinaufklettern. Immer bewertete er seine Touren sehr streng, ging er die Route eines anderen kam es oft vor, dass er die Schwierigkeitsbewertung nach unten korrigierte. Sein Anspruch an sich selbst und seine Partner war hoch, auch was die Dauer für die Begehungen anging. Stets war er äußerst zufrieden mit sich selbst wenn er hörte, dass Wiederholer seiner Touren seine Erstbegehungszeiten nicht unterbieten konnten. Waren diese Wiederholer anerkannte Spitzenkletterer, freute er sich um so mehr.

Für diese Leistungen bekam Heini Anerkennung, die er dringend brauchte. Auch vor seinen Eltern konnte er die Kletterleidenschaft nicht mehr verbergen. Immer hatte er alle seine Touren penibel in einem Tourenbuch festgehalten und er begann Artikel in der alpinen Fachpresse sowie einer lokalen Zeitung Beiträge zu veröffentlichen.

Doch die Zeit der Spitzenleistungen in den heimischen Bergen ging allgemein dem Ende entgegen. Die schweren und prestigeträchtigen Erstbegehungen wurden weniger. Holzer fuhr mit Reinhold und Günther Messner sowie Sepp Mayerl bis nach Chamonix, um noch als erste die Nordostwand der Aiguille d’Argentière im Jahr 1967 zu besteigen. Derartige Erstbegehungen wurden jedoch schon rar und seine Freunde verabschiedeten sich zunehmend zu den hohen Bergen der Welt, um dort bei Expeditionen zu zeigen was sie können. Heini fuhr nicht, er ging seinem Beruf als Kaminkehrer nach und auch als Reinhold Messner ihn zu einer Expedition zum Manaslu einlud, schlugt er aus. Zwar war es sein großer Traum auch einen 8.000er zu besteigen und vielleicht sogar mit Ski abzufahren, aber er hatte Erika Lösch geheiratet und war Vater geworden. Seine Entscheidung traf er bewusst, es war die letzte Gelegenheit, um in die internationale Bergsteigerelite aufzuschließen.

Er hatte jedoch bereits einen würdigen Ersatz gefunden, um sich sportlich auszudrücken. Seinem Wunsch Außergewöhnliches zu leisten folgte er auf Skiern. Die Befahrung von steilen Eisflanken und Rinnen begann für Heini Holzer am 13. Juni 1970. An diesem Samstag fährt er gemeinsam mit Hermine Lottersberger und seinem Freund Siegfried Messner die Nordwand der Marmolata ab. Die ersten Meter sichert er sich noch mit einem Seil, dann fährt er über den steilen Eiswulst ins Ungewisse. Die Befahrung gelingt. Jedoch ist Hermine entsetzt, Heinis Skikünste lassen sehr zu wünschen übrig. Er hatte das Skifahren nie richtig erlernt, sondern war immer nur auf Skitouren unterwegs.  Eine Skipiste hatte er noch nie betreten. Mit diesem „Zirkus“ wollte er nichts zu tun haben. Als Jugendlicher konnte er sich keine Aufstiegsfelle leisten, um sie unter seine Ski zu schnallen und daher band er als Ersatz Tannenzäpfen auf den Skibelag, um den Berg hinauf gehen zu können. Die Kritik seiner Freundin an der Marmolata ging jedoch nicht ungehört an ihm vorüber. Er trainierte gezielt die Skitechnik und verbessert sich.

Sieglinde Walzl
Sieglinde Walzl

Die steilen Wagnisse durchzuführen war eine Idee, die Heini bei der Begehung des hohen Angelus kam, er befand sich zu dem Zeitpunkt in der Südwestrinne und er dachte darüber nach, was er machen könne, um einen bleibenden Eindruck als Extremalpinist zu hinterlassen. Die Steilwandabfahrten, das Extremskifahren war seine Wahl. Auf dem Gebiet gab es noch die Möglichkeiten sich in den heimischen Bergen von der Konkurrenz abzusetzen. Natürlich hatte Holzer schon von Steilwandabfahrten gehört, von Sylvain Saudan, Kurt Lapuch, Manfred Oberegger, Albrecht Thausing und auch den Abfahrten von Emil Allais und weiteren Franzosen. Verglichen mit der Leistungsdichte im normalen Alpinismus konnte er sich hier noch beweisen. Vor allem konnte er die Abfahrten ohne langwierige und kostspielige Expeditionen durchführen.

Schnell folgten auf die Erste weitere Abfahrten: Die Similaun Nordwand eine Woche später und einen Warnschuss bekam er in der Nordrinne der Cima Tosa. Holzer stürzte, rutschte und konnte sich kurz vor einem hohen Eiswulst in der Mitte der Rinne wieder fangen. Fast wäre diese Abfahrt ins Auge gegangen. Zuvor hatte er Sturztraining durchgeführt und dieses hatte sich bezahlt gemacht. In schneller Folge gelingen ihm darauf hin noch weitere Routen.

Auch die Rinne, in der er Jahre zuvor zwei Kameraden aus einer Lawine befreite, die „Schück Rinne“ am Ortler, durchfährt er auf Skiern.

Seiner Konkurrenz ist er sich bewusst. Sylvain Saudan war ihm schon ein Begriff bevor er begann zu fahren, doch wollte er seinem Stil treu bleiben, er wollte es anders machen – ohne Helikopter, ohne Träger, ohne Hilfe von Außen. Diesen Prinzipien bleibt er treu: Jeden einzelnen Berg den er mit Skiern abfährt, ist er zuvor aus eigener Kraft hinauf gestiegen.

Die schwerste Abfahrt Holzers war die Südwestwand des Kleinen Ifingers. Holzer selbst bezeichnete sie so. Er kannte den Berg wie kaum einen anderen, es war sein Hausberg. Er hat die Wand aus allen Winkeln und zu jeder Jahreszeit begutachtet, war oft der Überzeugung, dass eine Abfahrt möglich sei, dann wieder glaubte er das Gegenteil. Drei volle Jahre ist sein Ziel die Befahrung einer Linie zwischen den Felsbändern, Rinnen und Schneefeldern durch ein Gewirr aus Stein, Eis und wenig Schnee.

Die durchgängigen Rinnen und großen Eisflanken stellen keine nennenswerte Herausforderung mehr für ihn dar. Es sind komplexe Felswände die ihn reizen. Die Fahrt durch die Südwestwand des Kleinen Ifingers gelingt nachdem Heini die Route hinauf gestiegen ist. Die meiste Zeit ist er nur wenige Zentimeter vom Abgrund entfernt, der Schnee stellenweise nur wenige Zentimeter dick. Seine Nerven sind zum zerreißen gespannt, Steinschlag poltert neben ihm hinab. Doch alles klappt …

Der Kleine Ifinger ist ein eher unbekannter Berg, dagegen finden andere Befahrungen Holzers an bekannten Bergen quer durch die gesamten heimischen Alpen statt. Das Skimuseum von Courmayeur bewahrt die Ski, mit denen er die Brenvaflanke am Mont Blanc abgefahren ist, bis heute auf. Eine der schönsten Firnwände geht auf sein Konto: die Nordostwand der Lenzspitze. Und der berühmte Biancograt am Piz Bernina wird ebenfalls Schauplatz von Heinis Steilwandabfahrten. An diesem Berg kommt eine seiner Marotten zum Vorschein: Gelegentlich versteckt er seine Skier, um zu vermeiden, dass ein Konkurrent von seinen Plänen erfährt. Der Hüttenwirt der Tschierva Hütte spricht ihn nach der Abfahrt auf das Versteckspiel an: „Ich hätte schon nichts verraten!“

Holzer zeichnet seinen Stil in alle Unternehmungen. Alpinistisch, in kurzer Zeit hinauf und auf Skiern hinab, wo immer möglich. Er trainiert viel, um dies zu bewerkstelligen. Fast jeden Tag joggt er. Pro Woche 80 bis 120 km. Für seine Teststrecke auf die Mutspitze und zurück benötigt er etwa 2 Stunden für die 1.500 Höhenmeter. Von Sulden aus auf den Ortler und zurück ist er im Schnitt 4,5 Stunden unterwegs. Für ihn ist die Kondition ein wesentlicher Teil, der zu seiner Sicherheit beiträgt. Auch Klettern und Skitouren tragen zu seiner Fitness sowie dem Knowhow, das er benötigt, bei. Zusätzlich betreibt er Autogenes Training, um sich auch mental vorzubereiten. Die Kondition äußert sich deutlich bei seinen Befahrungen. Er wird vor der Befahrung des Sérac Z an der Lyskamm Nordwand gefragt, wie viele Tage (sic) er für den Aufstieg benötigen würde. Viele Bergsteiger waren damals 13 bis 28 Stunden in der Lyskamm Nordwand unterwegs – auf kürzeren Routen. Nach nur 4 Stunden steht Heini Holzer am Gipfel und bereitet sich auf die Abfahrt vor. Slalom durch die Séracs, Querungen, Eisrampen, Schneebrücken und Gletscherspalten. Voller Freude gelingt die Fahrt, Heini ist überglücklich.

Holzer Lyskamm
Holzer Lyskamm

Jahr für Jahr sammelt er immer mehr hochkarätige Abfahrten. Neben dem Beruf kostet dies sehr viel Zeit, Vorbereitung, Training und die Nachbereitung inklusive Vorträgen sowie dem Verfassen von Artikeln für Zeitungen und Magazine, in denen er gerne seine Haltung gegenüber seinen Kritikern wohldurchdacht äußerte. Der Zeitbedarf ruiniert seine Ehe – Erika zieht mit den Kindern aus. In Folge ist der Steilwandskifahrer noch mehr unterwegs, häufig mit seiner Kletter- und bald Lebenspartnerin Sieglinde Walzl. Sie war es auch, die viele der Fotos vom kleinen Napoleon der Wände (so nannte ihn das Magazin „Bunte“) machte. Sie war häufig auch auf Skiern bei den steilen Abfahrten mit dabei.

Immer öfter wird Holzer nicht nur Ausrüstung angeboten, sondern auch Geld. Immer öfter werben Firmen mit seinem Konterfei. Doch das behagte ihm nicht. Er war Amateur aus Überzeugung. Das romantisch verklärte Bild des einsamen Berggängers, der hoch oben im Gebirge Heldentaten vollbringt, ohne dafür etwas einzufordern, ist tief in ihm verwurzelt. Die Zeichen der Zeit waren jedoch andere – sein Freund Reinhold Messner hatte damals als einer der Pioniere kein Problem damit aus seinen alpinen Leistungen Kapital zu schlagen. Auch Heini nimmt diese Möglichkeit letztlich wahr und schließt Verträge ab, die ihm nicht nur Ausrüstungsgegenstände und die Möglichkeit zur Produktentwicklung öffnen. Über sein bescheidenes Auskommen als Kaminkehrer hinaus ermöglichte ihm dies ein wenig mehr finanziellen Spielraum.

Zum abrupten Ende der einzigartigen Karriere kam es schon früh. 1977 stieg er ein letztes Mal auf und stürzte bei der Abfahrt durch die Nordflanke am Piz Rosegg. Um den Tod Heini Holzers rankt sich eine Frage – was genau war der Auslöser für den fatalen Sturz am Piz Rosegg?

Kurz zuvor war Holzer noch auf der Hofpürglhütte am Dachstein, wo er beim Treffen der Internationalen Hochtouristengruppe Bergland Freunde und Spitzenalpinisten trifft. Als der Herausgeber und seines Zeichens ebenfalls Extremalpinist Toni Hiebeler noch ein paar Bilder von Holzer machen möchte ruft der ihm zu: „Also mach` ein paar Sterbebilder von mir!“. Zwei Tage später reist er ab. Er befährt die Monte Zebrù Nordwand – fast schon als Trainingstour. Sein Ziel für diese Tage ist aber ein anderes. Der Piz Rosegg. Heini ist nervös, er denkt an das Bevorstehende. Pfarrer Josef Hurton, Chef des Bergrettungsdienstes in Sulden, den er noch kurz trifft, hat ihn noch nie so unruhig erlebt. Holzer will dieses Vorhaben „jetzt abschließen“.

Gemeinsam mit Sieglinde Walzl und Helmut Vitroler macht er sich auf den Weg zu dem Berg an dem er zuvor bereits fünf Mal umdrehen musste. Prompt ist es am 3. Juli auch nicht möglich abzufahren, die Bedingungen sind sehr gut, aber, um eine Gruppe Bergsteiger, die über die Nordostwand aufsteigen, nicht zu gefährden, muss er an diesem Tag verzichten. Am nächsten Tag ist er wieder da, dieses Mal jedoch ohne seine beiden Freunde, die den Heimweg antreten mussten. Er steigt zusammen mit sechs Bergführeranwärtern aus der Schweiz auf. Schon um 7 Uhr ist er oben, wechselt noch ein paar Worte mit einem Bergführer aus St. Moritz und fährt dann in die Wand ein. Nach wenigen Meter strauchelt er, bricht mit dem Skistock ein, kommt in Rückenlange, stürzt. Sofort hält er den Sturz und rettet sich zurück auf die Ski – das Sturztraining hat sich erneut ausgezahlt. Er setzt die Fahrt fort und entschwindet den Blicken der am Gipfel zurück gebliebenen. Die weiteren Meter verfolgt der Hüttenwirt Arnold Amstutz mit einem Feldstecher – Holzer stürzt seiner Beobachtung nach schon im oberen Drittel der 650 Meter hohen Wand ein zweites Mal, noch vor der kurzen Engstelle, durch die er sich abseilen wollte. Dieses Mal kann er sich nicht halten und er fällt bis zum Wandfuß. Tot.

Die Gründe für den Absturz sind nicht abschließend geklärt – ob er erneut über einen Skistock gestolpert ist oder die Skibindung auslöste, weiß man nicht. Fakt ist: Kurz vor dieser letzten Abfahrt musste Holzer den Materialsponsor seiner Skibindung wechseln. Die Firma Marker hatte ihm mitgeteilt, dass man lieber Sicherheitsbindungen verkaufen wolle, die sich im Notfall öffnen. Steilwandskifahrer benutzen dagegen Bindungen die sich so einstellen lassen, dass sie sich nicht öffnen. Bei Tests mit einer neuen Bindung hatte sich gezeigt, dass sich diese auch plötzlich und unvorhergesehen öffnen konnte. Einen Wechsel zurück auf die zuverlässige Bindung, die er gewohnt war, lehnte er aus Prinzip ab.

Was auch immer die Ursache für den Absturz war, durch ihn schied einer der besten und zugleich einflussreichsten Steilwandskifahrer aus dem Leben. Im gleichen Alter wie sein großes Vorbild Hermann Buhl, mit nur 33 Jahren, musste Heini Holzer die letzte Konsequenz des gefährlichen Tuns tragen.

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